23.08.2016
Wernborn soll Rosendorf werden. So will es Karl Zwermann, Urgewächs des Dorfes, um im Bild zu bleiben. Wie kam es dazu, und wo soll das Ganze hinführen? Als Journalistin bin ich prinzipiell neugierig und will immer alles genau wissen. Grund genug, mich einmal mit dem Gärtner zu treffen und in einer kleinen Serie von Visionen, Chancen und Risiken des Vorhabens zu erzählen. Heute geht es um Träume.
Ganz egal, wie auch immer ich morgens in die Redaktion nach Usingen fahre, ich komme an unserem obersten Gärtner in Wernborn, Karl – ich darf ihn so nennen –, einfach nicht vorbei. Und wenn im Sommer so richtig die Sonne vom Himmel knallt, dann falle ich manchmal schon auf dem Weg zum Auto über ihn: Die von ihm angelegte Blumenwiese vis-à-vis meines Hauses ist in bester Südhanglage nun mal ganz besonders durstig, und er gießt.
Ein andermal gießt er entlang der Friedhofsmauer die Rosen. Eigentlich sollte es ja ein Schau-Beet sein, da am Friedhof, erzählt er mir. Alle Rosen, die im Dorf schon vertreten sind, hat er dort mit seinen Helfern vom Obst- und Gartenbauverein eingepflanzt. Jedoch: Das war nix! Sagt Karl selbst. „Die sitzen einfach zu dicht!“ Fünf auf einen Quadratmeter hat der Rosenkatalog empfohlen. Die Praxis hat gezeigt: „Das ist zu dicht! Eine auf den Quadratmeter reicht.“ Tja, auch ein Garten-Papst wie Karl lernt immer wieder mal dazu . . . Ergo: „Das müssen wir neu machen!“ Und er weiß auch schon wo. Besser gesagt: Er weiß, wo er es gerne hätte, doch dazu später mehr, denn das ist eine wahrhaft große Vision. Bevor er diese tatsächlich umsetzten kann, wird es wohl noch dauern.
Greifbarer ist da das Vorhaben, Rosen entlang der B 275 anzupflanzen. Dort, wo jetzt noch eine Blumenwiese ist, sollen die künftigen Dorf-Besucher schon von einem großen Rosenbeet begrüßt werden. Denn das ist eine der Kriterien, um ein anerkanntes Rosendorf zu werden: Der bunte Rosengruß sollte sich nahtlos durchs Dorf ziehen, das Ortsbild prägen. Die Rose muss im Mittelpunkt stehen. Das verlangt nicht nur das immer wieder als stolz bezeichnete Gewächs, sondern auch die Kommission, die Wernborn im September begutachten wird. Spontan fällt mir dazu der Spruch in meinem uralten Poesie-Album ein:
Sei wie das Veilchen im Moose,
sittsam, bescheiden und rein
und nicht wie die stolze Rose,
die immer bewundert will sein.
Aber zurück zu den Kriterien fürs Rosendorf. Und vor allem: zu weiteren Flächen für Rosenbeete. Mir stellt sich da die Frage: Wo? B 275 okay, aber das war’s dann auch schon! Karl ist da jedoch ganz anderer Meinung: „Ein neues Beet will ich an der Bushaltestelle Betzenberg anlegen, fortführend zur Bundesstraße.“ Und der Mann hat noch mehr Asse im Ärmel: „Theoretisch können wir auch noch die Blumenwiese Richtung Eschbach bepflanzen“, sagt er. Stimmt! Die gibt es ja auch noch – Karl ist halt überall. Oder besser gesagt, seine gärtnerischen Spuren verfolgen den Besucher auf Schritt und Tritt durchs Dorf und auch darüber hinaus.
Doch damit immer noch nicht genug. Der 76-Jährige hat in der vergangenen Woche eine ganz neue Offensive gestartet. Stichwort: Gläserne Gärten. Was das ist, erzählt ein Flugblatt, das in allen Wernborner Briefkästen landete. 650 an der Zahl. „Wir haben im Ort schon viele Leute, die Rosen in ihren Gärten haben. Das möchte ich gläsern machen“, erklärt Karl. Die Bewertungskommission soll auch die Gärten zu sehen bekommen, sehen, wie wichtig Rosen auch für die Dörfler sind, und dass das Gewächs längst schon im Ort heimisch ist. Auch das gehört zu den Bewertungskriterien für ein Rosendorf. Ob die Wernborner das mitmachen, ist die andere Frage. „Ich denke schon“, sagt Karl.
Kaum dass das Flugblatt auf den Tischen der Hausbesitzer gelandet war, trudelten bei ihm auch schon Antworten ein. Per Fax, per E-Mail, handschriftlich im Briefkasten. „Ich habe zwei Rosenstöcke“, heißt es da unter anderem. Für Karl absolut okay. Das ermutigt mich dann doch, auch meine Rosen zu melden, schließlich habe ich sogar fünf Stöcke Rosa Canina, die einst Karls Liebe zu Rosen geweckt hat. Wild gewachsen, drei davon in Reih und Glied an der Grundstücksgrenze zum Parkplatz. Passt! Rosa Canina ist nicht nur schön. Offensichtlich auch schlau . . . Doch lassen wir das.
Auch ein Schneewittchen und eine Buschrose wachsen in meinem – zugegeben: sehr naturnahen – Garten. „Also sieben insgesamt“, resümiert Karl und schaut mich vorsichtshalber nochmals fragend an. Sieben! Notiert! Er will JEDEN Rosenstock auf seiner Liste haben. Ein Rosen-Kataster könnte so entstehen. Das müsste allerdings ständig gepflegt werden. Und ob das funktioniert? Darauf gibt’s vorerst einmal keine Antwort von ihm. Nur ein Schulterzucken. Der Blick auf die Rosenbestandsliste lässt mich dann aber doch staunen: „Wir haben 30 Rosenstöcke“, „Wir haben 50 Rosen“ steht da. Was? In einem Garten 50 Rosen, kaum zu fassen! Und was Karl noch mehr freut: „Ja, die Kommission darf kommen und schauen“, schreiben die Gartenbesitzer. Das freut den Rosendorf-Macher. Jedoch: Die circa 30 Rückmeldungen sind ihm „noch lange nicht genug, da muss noch mehr kommen“.
Wer nun glaubt, damit sei es genug mit Ideen, der kennt Karl nicht. Der wird nämlich nicht müde, für sein Vorhaben zu werben und noch mehr Hausbesitzer mit ins Boot – oder sollte es eher Beet heißen – zu nehmen. Er geht auch schon mal mit Ideen im wahrsten Sinne des Wortes hausieren. Mit dem Ergebnis: „Einige Bürger steigen in unser Rosendorf-Konzept ein. Die Hausbesitzer verwandeln ihre Gärten in Rosengärten. Ich besorge die Pflanzen, berate und helfe. Wir haben auch schon einigen Leuten angeboten, ihre an den Straßen liegenden Böschungen zu bepflanzen und zu pflegen, wenn sie uns die Fläche zur Verfügung stellen“, erzählt Karl.
Ich bewundere diesen Mann, der fleißig wie die Bienchen ist, der wie sie im Dorf von Blüte zu Blüte zieht, sie hegt und pflegt und irgendwie nie müde wird, Neues anzupacken, um das Vorhaben Rosendorf in die Tat umzusetzen. Ist das nicht manchmal ein bisschen zu viel Arbeit? „Es darf auf keinen Falle mehr werden!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen auf die Frage.
Viel Arbeit erwarten ihn und seinen Obst- und Gartenbauverein noch, doch demnächst hat er mehr Zeit für sein Dorf: Karl Zwermann wird im Oktober nicht mehr für das Präsidenten-Amt der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft kandidieren. Nach 32 Jahren kehrt er den offiziellen Ämtern endgültig den Rücken. Für Wernborn bedeutet das: Jetzt blüht dir erst recht was.
In den weiteren Folgen der Rosendorf-Serie erfahren Sie, welche Vision Karl Zwermann in die Tat umsetzen möchte, um Wernborn zu einem Alleinstellungsmerkmal zu verhelfen. Außerdem: Was hat der Titel Rosendorf mit dem Tourismus zu tun, und ist das alles nicht zu viel für den Obst- und Gartenbauverein des Dorfes?
Es waren einmal ein König und eine Königin. Die wünschten sich so sehr ein Kind, doch die Königin wurde einfach nicht schwanger. Bis eines Tages ein Frosch ans Land kroch und der Königin versprach: „Du wirst eine Tochter gebären.“ Nein, dies ist nicht das Märchen vom Froschkönig, sondern die Geschichte von Dornröschen, das von der 13. Fee verflucht wurde, sich an einer Spindel zu stechen und tot umzufallen. Gottlob hatte die 12. Fee noch gute Wünsche frei, und so milderte sie den Spruch ab: Dornröschen schlafe 100 Jahr. Und Dornröschen schlief – hinter einer Dornenhecke mit wunderschönen Blumen, einer Rosenhecke.
Immer wieder spielen Pflanzen in Märchen und Sagen eine Rolle, gelten sie als Orakel- und sogar als Zauberpflanzen. Und der Rose – als Königin der Blumen – kam schon immer eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie ist ein Zeichen der Liebe und der Reinheit. Und mal ehrlich: Welches Mädchen träumt nicht davon, von ihrem Angebeteten eine rote Rose als Zeichen seiner ewigen Liebe überreicht zu bekommen. Am besten mit einem Heiratsantrag auf den Lippen und einem schönen funkelnden Stein für ihren Ringfinger in seiner Hand.
Seit dem Altertum galt die Rose als ein Zeichen der Verschwiegenheit. Was sub rosa – also unter der Rose – gesprochen wurde, galt als streng vertraulich. Ab dem Mittelalter waren daher auf Beichtstühlen Rosen eingeschnitzt. Und in vielen Ratssälen hing über dem Tisch eine weiße Rose. Bereits im elften Jahrhundert wird die Königin der Blumen zum Symbol der himmlischen Liebe und zum Attribut Marias, der Mutter Jesu.
Die Rose ist das Zeichen der Vergebung, sie steht ebenso für den Opfertod der Märtyrer. Einer Legende nach überreichte Maria dem heiligen Dominikus eine Gebetsschnur und lehrte ihm den richtigen Umgang damit. Im Jahr 1208 erhielt die Gebetsschnur den Namen „Rosenkranz“. Uko